Es ist das Jahr 2005. In Palo Alto versammeln sich Tech-Enthusiastinnen zu einer Konferenz der besonderen Art: Kein Programm, keine festgelegten Speaker, keine PowerPoint-Marathons. Stattdessen Post-its, spontane Sessions und Diskussionen auf Augenhöhe. Das erste BarCamp war geboren – als bewusster Gegenentwurf zu den exklusiven “Foo Camps” von O’Reilly. Die Idee: Wenn alle Expertinnen sind, brauchen wir keine Frontalbeschallung mehr.
Fast zwanzig Jahre später hat dieses Format die Tech-Welt revolutioniert und sich in zahllosen Branchen etabliert. Nur in der Sozialen Arbeit? Da treffen wir uns noch viel zu oft in klassischen Fortbildungsformaten, hören Vorträge und nicken höflich. Dabei stehen wir vor Herausforderungen, die dringender denn je nach neuen Formaten des Austauschs schreien.
Die perfekte Antwort auf unvollkommene Zeiten
Die Soziale Arbeit befindet sich in einer Transformation, die ihresgleichen sucht. Digitalisierung verändert nicht nur unsere Dokumentationssysteme – sie revolutioniert, wie wir Klient*innen erreichen, wie wir zusammenarbeiten, wie wir Hilfe organisieren. KI-gestützte Beratungstools, digitale Jugendzentren, Online-Sozialberatung: Was gestern noch Science-Fiction war, steht heute auf der Tagesordnung.
Gleichzeitig kämpfen wir mit einem massiven Fachkräftemangel, während die Bedarfe steigen. Mehr psychische Belastungen bei jungen Menschen. Mehr Altersarmut. Mehr Geflüchtete. Mehr komplexe Familienkonstellationen. Die klassische Rechnung geht nicht mehr auf: Weniger Menschen sollen mehr Menschen helfen – und das auch noch besser als zuvor.
Die traditionellen Antworten darauf? Meist top-down: Ein Ministerium entwickelt ein neues Konzept. Ein Verband gibt Leitlinien heraus. Eine Hochschule bietet eine Fortbildung an. Alles wichtig, keine Frage. Aber es fehlt etwas Entscheidendes: Der echte Austausch zwischen denen, die täglich an der Front stehen.
Warum Barcamps der Game-Changer sind
Das Barcamp-Format löst genau dieses Problem – und zwar auf geniale Weise:
1. Kollektive Intelligenz statt Einzelexpertise
In einem Barcamp gibt es keine “Wissenden” und “Unwissenden”. Die Streetworkerin, die jeden Tag mit KI-Tools experimentiert, hat genauso wertvolles Wissen wie die Professorin, die seit Jahren zu Digitalisierung forscht. Der Azubi in der Verwaltung bringt vielleicht den entscheidenden Perspektivwechsel. Das Barcamp macht diese Erkenntnis zum Prinzip.
2. Relevanz durch Aktualität
Während klassische Konferenzen ein Jahr Vorlaufzeit brauchen, entsteht die Agenda eines Barcamps am Morgen des Events. Was dich heute umtreibt – die neue Datenschutzverordnung, der Umgang mit ChatGPT in der Beratung, kreative Recruiting-Strategien – wird heute besprochen. Nicht in drei Monaten, wenn das Thema schon wieder überholt ist.
3. Vernetzung, die wirklich funktioniert
Mal ehrlich: Wie oft kommst du von einer Fachtagung und hast zwar Visitenkarten gesammelt, aber keine echten Verbindungen geknüpft? Barcamps schaffen durch ihre interaktive Natur automatisch tiefere Verbindungen. Du diskutierst, du streitest konstruktiv, du entwickelst gemeinsam Ideen. Diese Kontakte halten.
4. Demokratisierung von Wissen
Das Barcamp-Prinzip “Alle sind Expert*innen” ist mehr als eine nette Floskel. Es ist eine radikale Absage an Hierarchien und Gatekeeping. Gerade in Zeiten, wo sich Wissen rasend schnell entwickelt, kann niemand mehr alleine den Überblick behalten. Das Barcamp erkennt diese Realität an und macht sie produktiv.
Gerade jetzt: Die Zeit ist reif
2025 ist nicht 2005. Die Herausforderungen in der Sozialen Arbeit waren selten so komplex wie heute. Aber genau deshalb ist der Zeitpunkt für Barcamps perfekt:
Die digitale Transformation wartet nicht. Während wir noch diskutieren, ob und wie wir KI in der Sozialarbeit einsetzen wollen, entwickelt sich die Technologie weiter. Wir brauchen Räume, in denen wir gemeinsam experimentieren, Erfahrungen teilen und voneinander lernen können – schnell und pragmatisch.
Der Fachkräftemangel zwingt uns zur Innovation. Wenn wir nicht mehr Menschen für die Soziale Arbeit gewinnen können, müssen wir anders arbeiten. Smarter, vernetzter, effizienter. Die besten Ideen dafür entstehen nicht in Ministerien, sondern in der Praxis – im Austausch zwischen denen, die täglich kreative Lösungen finden müssen.
Die Generation Z fordert andere Formate. Studierende und Berufseinsteiger*innen wollen mitgestalten, nicht nur zuhören. Sie sind mit partizipativen Formaten aufgewachsen. Ein Barcamp entspricht ihrer Arbeits- und Lernkultur viel mehr als ein klassischer Fachkongress.
Die Probleme sind zu komplex für Einzellösungen. Digitale Teilhabe, interkulturelle Arbeit, Prävention, Inklusion – all diese Themen lassen sich nicht mehr in Silos bearbeiten. Wir brauchen interdisziplinären Austausch. Das Barcamp bietet dafür den idealen Rahmen.
Von der Tech-Szene lernen heißt: Loslassen und vertrauen
Was die Tech-Szene früh verstanden hat: Die besten Innovationen entstehen nicht durch Kontrolle, sondern durch Freiraum. Durch Vertrauen in die Expertise der Community. Durch die Bereitschaft, auch mal chaotisch zu sein.
Die Soziale Arbeit hat alle Voraussetzungen für erfolgreiche Barcamps: Eine engagierte Community, brennende Themen, den Willen zur Veränderung. Was wir brauchen, ist der Mut, klassische Fortbildungsformate zu ergänzen – oder manchmal auch zu ersetzen – durch Formate, die der Dynamik unserer Zeit gerecht werden.
Ein Barcamp ist keine Wunderwaffe. Es wird den Fachkräftemangel nicht lösen und die Digitalisierung nicht aufhalten. Aber es ist ein mächtiges Werkzeug, um gemeinsam Antworten zu finden, Netzwerke zu knüpfen und die kollektive Intelligenz einer ganzen Branche zu mobilisieren.
Die Tech-Szene hat 2005 verstanden: Konferenzen dürfen anders sein. Die Soziale Arbeit kann das auch. Und wenn nicht jetzt – wann dann?
Bereit für den Perspektivwechsel? Das Social Barcamp am 22. Oktober 2025 in Hanau ist der perfekte Start. Bring deine Themen mit, bring deine Expertise mit – und lass uns gemeinsam die Zukunft der Sozialen Arbeit gestalten.